Verhandeln im Alltag – Wie Sie das Beste für sich rausholen!

Beim Stichwort „Verhandeln“ denken Sie möglicherweise spontan an Ihren letzten Urlaub, an Kulturkreise, in denen es zum guten Ton zwischen Käufern und Verkäufern gehört, den angemessenen Preis zu diskutieren. Vielleicht erinnern Sie sich aber auch an knallharte Auseinandersetzungen an der Börse, wobei Beträge in Millionenhöhe diskutiert werden. Doch wenn wir genauer hinsehen, fällt uns auf, dass wir im Alltag ständig verhandeln – vielleicht sogar, ohne es direkt als solches zu realisieren. So verhandeln wir möglicherweise mit unserem Partner/unserer Partnerin, wer welche Aufgaben im Haushalt übernimmt, mit unseren Kindern, welche Noten das Zeugnis haben sollte, um in den Sommerferien bestimmte Wünsche erfüllt zu bekommen, mit unserem Vorgesetzten über ein angemessenes Gehalt oder mit unseren Kollegen, wer wofür verantwortlich ist. Und auch bei Ihrem letzten Autokauf haben Sie vielleicht verhandelt oder hätten es zumindest gern getan 😉.

Es gibt zahlreiche Situationen, in denen es darum geht, mit einer oder mehreren Person(en) einen Konsens zu finden, wo zuvor Uneinigkeit oder Unklarheit bestand. Und nicht selten werden dabei wichtige Themen verhandelt, die uns den Alltag erleichtern oder erschweren können. Zufriedenheit und Frust über das Ergebnis liegen dann meist sehr nah beieinander.

Verhandlungen bewegen sich immer im Spannungsfeld zwischen Beziehungserhalt und Verhandlungserfolg. Dies lässt sich mit dem Bild einer Wippe vergleichen: Je wichtiger uns das emotionale Verhältnis zum Verhandlungspartner ist, desto schwerer lässt sich das Verhandlungsergebnis mithilfe von Druck und Sturheit erzielen. Je mehr wir auf unsere Vorstellung vom Ausgang der Verhandlung beharren, desto größer ist die Gefahr, dass die Beziehung zum Gegenüber belastet wird. Deshalb ist es wichtig, eine Verhandlungsstrategie zu finden, die dem anderen mit Wertschätzung und Achtung begegnet.

Was brauche ich, um erfolgreich und wertschätzend zu verhandeln?

Zunächst könnten Sie sich fragen, mit welcher Haltung Sie in eine Verhandlung gehen. Wenn Sie um jeden Preis gewinnen wollen und dabei einen „Gesichtsverlust“ des Gegenübers riskieren, ist eine als fair geltende Verhandlung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wirkliche Verhandlungsbereitschaft bedeutet, Kompromisse einkalkuliert zu haben und den Willen aufzubringen, sich auf den anderen zuzubewegen. Gelingendes Verhandeln endet mit einem Gewinn für beide, stures Durchboxen der eigenen Vorstellungen resultiert hingegen im Verlustgeschäft für mindestens eine der Parteien.

Vorbereitung ist die halbe Miete!

Entscheidend für Ihren Verhandlungserfolg ist eine gute Vorbereitung. Es lohnt sich, Zeit zu investieren, um sich über den eigenen Standpunkt klar zu werden. Je besser Sie die Situation im Vorfeld überblicken, desto größer ist Ihre Aussicht auf Erfolg. Gerade wenn Ihnen die Beziehung zum Gegenüber wichtig ist, gilt es, die eigene Positionierung gut abzuwägen.

Was möchte ich erreichen?

Für eine gute Vorbereitung ist die entscheidende Frage: „Wie genau definiere ich mein Ziel?“ Es ist notwendig, sich darüber klar zu werden, was Ihnen wichtig ist und was Sie mindestens erreichen möchten bzw. können? Auch was maximal möglich ist, sollte Ihnen bewusst sein, um letztlich eine realistische Spanne zwischen Minimal- und Maximalergebnis zu definieren. In jedem Fall empfiehlt es sich, im Vorfeld zu entscheiden, wo die eigene Schmerzgrenze liegt. Denn mitten im Prozess lassen wir uns schnell von der Dynamik leiten und stimmen Übereinkünften zu, über die wir uns im Nachhinein ärgern.

Was weiß ich über den anderen?

Es lohnt sich zu überlegen, welche Informationen über den anderen und den zu verhandelnden Sachverhalt bekannt sind. Welche Ziele könnte er anstreben, welche Interessen hat er, was ist ihm wichtig und wo sind seine Grenzen? Welche Werte verbinden Sie beide und wo können Sie weitere Informationen zum anderen Standpunkt oder zum Sachverhalten finden? Und ganz besonders wichtig ist die Frage danach, wie viel Wert Sie auf eine gute Beziehung zum Verhandlungspartner legen. Handelt es sich also um einen flüchtigen Kontakt (z.B. der Autoverkäufer) oder um ein Familienmitglied, zu dem Sie sich ein gutes Verhältnis wünschen?

Wie hoch ist meine Investitionsbereitschaft?

Wenn Sie herausgefunden haben, was Sie konkret möchten und was Sie über den anderen wissen, gilt es zu entscheiden, was Sie zu investieren bereit sind. Dabei können die folgenden Fragen hilfreich sein:

  • Mit welchem Angebot werde ich in den Prozess einsteigen?
  • An welchen Stellen kann ich Kompromisse eingehen und Zugeständnisse machen?
  • Wie weit werde ich mich von meinem Ziel wegbewegen?
  • Was kann ich einbringen, um dem Verhandlungspartner einen Anreiz zu bieten?
  • Bei welchen Themen könnte ich schwach und meinen Prinzipien untreu werden?

Es geht also darum, einen Überblick zu den eigenen Möglichkeiten, Wünschen und Grenzen zu erhalten. Nur wenn Sie diesen haben, können Sie dem anderen authentisch und selbstsicher gegenübertreten.

Aber auch die beste Vorbereitung ersetzt nicht ein gewisses Maß an Flexibilität. Wenn wir im Vorfeld zu wissen glauben, wie eine Verhandlung ablaufen wird und uns ausschließlich darauf vorbereiten, stehen wir „im Regen“ sobald die andere Partei eine unerwartete Strategie wählt. Es ist deshalb notwendig, verschiedene mögliche Szenarien einzukalkulieren und immer eine Alternativstrategie bereitzuhalten. Dazu gehört auch, dass wir unser erstes Angebot stets mit einem gewissen Spielraum planen. Es ist wichtig, im nächsten Schritt auf den anderen zugehen zu können, um Kooperationsbereitschaft zu signalisieren.

Was sollte ich grundsätzlich beachten?

Eine Verhandlung ist immer ein Prozess, welcher durch bestimmte Rahmenbedingen gestützt wird. So ist es zum Beispiel wichtig, nicht sofort mit der „Tür ins Haus“ zu fallen, sondern zu Beginn die Zeit in eine gute Atmosphäre und ein Gesprächsklima auf Augenhöhe zu investieren. Sowohl unser Gesprächspartner als auch wir selbst haben in der Verhandlung das Bedürfnis nach Wertschätzung, Anerkennung, Akzeptanz, Entscheidungsfreiheit und Autonomie. Es ist notwendig, dass wir dies jederzeit ermöglichen, da andernfalls das Ende der Kooperationsbereitschaft droht. Menschen, deren emotionale Grundbedürfnisse in Gefahr sind, reagieren in der Regel mit dem Gegenteil von Verhandlungsbereitschaft: Sie machen dicht, ziehen sich zurück oder spielen ihre Macht aus. Deshalb sollten wir auch auf Vorwürfe, Anschuldigungen, Anfeindungen und Belehrungen verzichten! Stattdessen ist es günstig zu betonen, was uns an der bisherigen Zusammenarbeit bereits gefällt oder was wir am anderen schätzen.

Die Verhandlung beginnt – Wie gehe ich vor?

Schritt 1: Treten Sie Ihrem Verhandlungspartner offen und freundlich gegenüber. Investieren Sie Zeit, um ein gutes Klima herzustellen, nutzen Sie Small-Talk, um die ersten Minuten zu überbrücken bis Sie sich sicher fühlen. Klären Sie dann gemeinsam, nach welcher Struktur das Gespräch laufen und welches Ziel es haben soll.

Schritt 2: Tauschen Sie sich zu Ihren Standpunkten aus. Fragen Sie dafür zunächst Ihr Gegenüber nach seiner Sicht der Dinge. Er wird Ihnen anschließend besser zuhören, wenn er die Möglichkeit hatte, seine Gedanken zu äußern.  Zeigen Sie Interesse und fassen Sie zusammen, was Sie verstanden haben.

Schritt 3: Schildern Sie Ihren Standpunkt. Beginnen Sie mit den Aspekten, die Ihnen an den Vorstellungen des anderen positiv aufgefallen sind. Erklären Sie dann, was Ihnen wichtig ist. Sagen Sie, was Sie brauchen und betonen Sie bewusst die Gemeinsamkeiten Ihrer beider Vorstellungen.

Schritt 4: Nun ist es an der Zeit, Unterschiede und Dissonanzen klar zu benennen. Stellen Sie genau gegenüber, worin sich Ihre beiden Standpunkte unterscheiden und wo demzufolge der konkrete Abstimmungsbedarf liegt.

Schritt 5: Verhandeln Sie, indem Sie Ihrem Gegenüber Angebote unterbreiten und auch ihn bitten, Gegenangebote zu machen. Wichtig ist dabei, dass Sie die Vorschläge des anderen stehen lassen, ohne sie zu bewerten. Ergreifen Sie stattdessen selbst die Initiative und bringen Sie weitere Ideen und Angebote ein. Hierbei erhöhen Sie die beiderseitige Kooperationsbereitschaft, wenn Sie Zugeständnisse einbauen und Ihren im Vorfeld eingeplanten Puffer nutzen, um dem anderen zu sagen: „Ich komme dir entgegen.“ An dieser Stelle können Sie auch Ihr zuvor erworbenes Wissen nutzen, wenn es dazu dient, Ihre Position zu stärken. Wichtig ist es aber auch, die Vorstellungen des andere zu berücksichtigen und ihm zu signalisieren, welche Vorteile es ihm bringen könnte, Ihrer Idee zu folgen. Wenn der andere beginnt, Ihre Vorschläge zu bewerten, verzichten Sie auf Rechtfertigungen und fragen Sie stattdessen immer wieder gezielt nach Alternativideen (Welchen Gegenvorschlag hast du?). Grundsätzlich gilt: Je größer die Fülle der möglichen Angebote, desto wahrscheinlicher ist es, eine gute Übereinkunft zu finden, welche beidseitig die wichtigsten Interessen berücksichtigt.

Schritt 6: Wenn Sie sich auf ein Ergebnis geeinigt haben, fassen Sie dieses ganz ausführlich zusammen und definieren Sie, wer was bis wann tut. Sprechen Sie auch über mögliche Stolpersteine und wie Sie mit ihnen umgehen wollen. Wenn nötig, halten Sie Ihre Übereinkunft schriftlich fest.

Schritt 7: Zelebrieren Sie gemeinsam das Ergebnis Ihrer Verhandlung. Beenden Sie den Prozess ganz bewusst mit abschließenden und wertschätzenden Worten bevor Sie das Thema wechseln und über andere Dinge sprechen.

Schritt 8: Freuen Sie sich über Ihren Verhandlungserfolg 😉!